Afshan Jafar and Erynn Masi de Casanova (2013)
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Rezensiert von Nina Lawrenz por Paulina Soto Riveros
Freie Universität Berlin
Der Sammelband „Global Beauty, Local Bodies“, herausgegeben von
den zwei in den USA tätigen Soziologieprofessor_innen Afshan Jafar
und Erynn Masi de Casanova, enthält eine besondere Kritik an
globalen Schönheitsnormen mit einem Blick für die lokalen
Besonderheiten. Die von ihnen angebrachten ethnographischen
Studien verdeutlichen auf beeindruckende Art und Weise den
Zusammenhang von globalen und lokalen Prozessen, wobei die
Autor_innen die Akteur_innen in den unterschiedlichsten Regionen
zu Wort kommen lassen und dabei immer wieder auf globale
Zusammenhänge zurückverweisen.
Die Herausgeber_innen betten fünf (komparative) Studien und drei
persönliche Kommentare von Autor_innen aus diversen lokalen
Kontexten verschiedenster Kontinente und regionaler Besonderheiten
in eine postkoloniale, queerfeministische Kritik hegemonialer
Schönheitsnormen ein und verbinden dabei akademische empirische
Forschung mit individuellen Auseinandersetzungen. Das Werk hat
einen interdisziplinären Charakter, und bereits in der Einleitung
analysieren die Herausgeber_innen mannigfaltige Ursachen des
Wandels von Schönheitskulturen – und Bilder vor dem Hintergrund
ökonomischer, politischer und kultureller Einflüsse.
Die Autor_innen der Studien, die vornehmlich in akademischen
Kontexten des Globalen Nordens zu verorten sind, erfassen lokale
Kontexte und Traditionen ohne kulturrelativistisch zu werden,
reflektieren ihre eigenen Perspektiven und betonen ihr Bewusstsein
über die Gleichzeitigkeit ihres „privilegierten Status in der
Westlichen Welt“ und der Zuschreibung einer Migrationsgeschichte
(xiv). Die Diversität in Bezug auf die geographische Vielfalt der
Untersuchungen sowie eine Rückbesinnung auf die grundsätzliche
Fragestellung des Werkes erlauben auf der einen Seite das
Blickfeld der_des Leser_in um regionale Ausprägungen von
Schönheitsnormen zu erweitern. Gleichzeitig wird ein weitsichtiges
Panorama deutlich, welches kapitalistische und neoliberale
Strömungen weltweit als einflussreich für lokale Veränderungen
darstellt und erlaubt, regionale Anpassungen und vor allem die
wechselseitigen Wirkungen lokaler und globaler Prozesse zu
verstehen. Die Autor_innen betrachten ihr Werk als eine Kritik an
globalen Schönheitsidealen, wobei sie regionale Besonderheiten
reflektieren und immer wieder auf die Standpunkte der
Sprecher_innen in den Regionen zurückkommen. Durch ein
strukturierteres Zusammenbringen theoretischer Annahmen und
eigener Forschungen reflektieren sie hierbei grundlegend die
Bedeutung des Zusammenwirkens heteronormativer, rassistischer und
klassistischer Machtverhältnisse in der Konstruktion von
Identitäten über bestimmte Schönheits- und Körperbilder.
Die erste Studie beschäftigt sich komparativ mit der Konstruktion
von Weiblichkeit in Kontexten von Schönheitswettbewerben in
Nigeria und der vietnamesischen Sexindustrie und zielt darauf ab
zu verdeutlichen, wie vor allem in sogenannten wirtschaftlich
aufstrebenden Nationalstaaten globale Schönheitsbilder an
Bedeutung gewinnen, da sie an Konzepte wie Reichtum und Erfolg
geknüpft sind und somit neoliberale Tendenzen widerspiegeln, die
diese befördern.
Auch für den lateinamerikanischen Kontext findet im nächsten
Aufsatz eine Auseinandersetzung mit der wachsenden Sexindustrie im
US-amerikanisch-mexikanischen Grenzraum statt, und Susanne Hofmann
geht der Frage nach, inwieweit „sexuelle Attraktivität“ in Kapital
umgewandelt werden will, und fokussiert hierbei insbesondere,
warum die heterosexuelle Inszenierung von nicht-rassisierten
Cis-Frauen, also Frauen die sich sozial mit ihrem biologischen
Geschlecht identifizieren, über das Mittel von plastischer
Chirurgie als „gewinnbringend“ erhofft wird.
Im Kontext USA/Lateinamerika verortet sich auch die dritte,
komparative Untersuchung zu „Hooters“, einer internationalen
Schnellrestaurantkette, deren Angestellte
Cheerleader_innen-Kostüme tragen, also einem Idealtyp des
(US-amerikanischen) Teenagers entsprechen. Die Autor_innen stellen
beim Vergleich US-amerikanischer und kolumbianischer Filialen der
Kette fest, dass zwar die Norm sich an den lokalen Kontexten
anpasst und in Kolumbien andere phänotypische Merkmale als „schön“
gelabelt werden; die grundsätzliche Relevanz aber, die der
Schönheit beigemessen wird, die Möglichkeit, über rein äußerliche
Merkmale als „erfolgreich“/„beliebt“ gelesen zu werden bzw. die
Idee, Restaurantgäste über die vermeintliche (jugendliche)
Attraktivität zu gewinnen, unterscheidet sich in den lokalen
Kontexten wenig.
Die vierte ethnographische Forschung untersucht die Bedeutung von
lokalen Schönheitsritualen und -aspekten für die Konstruktion
nationaler, kollektiver Identität in Diasporas am Beispiel
somalischer Frauen. Die Autorin fokussiert die Bedeutung des
Themas „Schönheit“ als Möglichkeit der Schaffung eines gemeinsamen
Raumes (sowohl diskursiv als auch lokal), insbesondere für Frauen
in migratorischen Kontexten, und der Beibehaltung einer
kollektiven somalischen Identität in Anbetracht einer
transnational verbreiteten somalischen Diaspora.
Eine weitere Studie befasst sich mit dem Thema der Metrosexualität
am Beispiel von Sport im skandinavischen und US-amerikanischen
Kontext und beleuchtet hierbei, inwiefern die Sexualisierung von
Körpern in der Konstruktion von Schönheit eine entscheidende Rolle
spielt. Gerade der Bereich Sport steht in engem Zusammenhang mit
einer (imaginierten) homogenen nationalen Identität, die
Sportler_innen in eine nationale Zugehörigkeit verweist, die nur
durch das Erfüllen gewisser nationaler Körperideale zu erreichen
ist. Laut der Autor_innen funktioniert die Metrosexualisierung vor
allem männlicher Körper, also eine wachsende Ästhetisierung von
Männlichkeit, die auch eine verstärkte Sexualsierung des
männlichen Körpers nach sich zieht, im Bereich Sport, verstärkt
bei Körpern von People of Color im US-amerikanischen Kontext, vor
allem über die mediale Herstellung.
Die zwischen den Studien platzierten persönlichen Kommentare
dreier Autor_innen setzen sich auf essayistische Art und Weise mit
Schönheitsnormen auseinander und geben so Einblick in die
individuelle Auseinandersetzung der Autor_innen mit
Schönheitsidealen aber immer auch auf der Ebene einer kritischen
(Selbst-)reflexion: mit der Relevanz der Größe der eigenen Nase in
bestimmten lokalen Kontexten und der persönlichen Suche nach
Antworten auf die Frage nach einer Schönheitsoperation; der
Bedeutung von Depilation in Kambodscha und Kuren zur Verringerung
des Körpergewichtes in Indien.
Insgesamt ist den Auseinandersetzungen gemein, dass sie nicht nur
die durch Globalisierung geprägten Körperideale thematisieren,
sondern sich fragen, wie Körper in bestimmten Kontexten diese
annehmen, umdeuten und darin wieder neue lokale Standards
etablieren. Diejenigen also, die bestimmte Schönheitsideale
anstreben, werden nicht als „Opfer“ einer neoliberalen
Körperindustrie gesehen, sondern immer auch als Konstrukteur_innen
verkörperlichter (sexueller) Identität, auch im Kontext von
Staatsbürgerschaft, die sich über den Körper konstruiert
verstanden. Zudem geben sie mit der Auseinandersetzung mit
Schönheit Raum für ein neues Verständnis der Relevanz für die
Identitätsbildung. Sie verdeutlichen die Wechselwirkung
sexualisierter, klassisierter und rassisierter Ideale für diese
Konstruktionen und analysieren aus einer intersektionalen
Perspektive das Selbstverständnis bzw. die Konstruktion einer
(nationalstaatlichen) Identität.
Eine dichte Beschreibung und Reflexion vor allem auch der
methodologischen Vorgehensweise, die immer in einen theoretischen
Zusammenhang gesetzt wird, ergänzt die inhaltliche Diversität und
analytische Tiefe des Werkes um den Aspekt einer reflektierten
Wissenschaftlichkeit. Dabei bleibt zu bedauern, dass alle
Autor_innen in universitären Kontexten des Globalen Nordens zu
verorten sind, und wissenschaftliche Auseinandersetzungen aus dem
Globalen Süden selbst nicht einbezogen werden. Das Werk
gewährleitstet trotz dessen einen Einblick in die oft
vernachlässigten transnationalen Perspektiven in den empirischen
Gender Studies und verdeutlicht für Interessent_innen regionaler
Studien, der Kultur- aber auch der empirischen
Sozialwissenschaften die Bedeutung der Übersetzung globaler
Prozesse in lokale Zusammenhänge.