Afshan Jafar and Erynn Masi de Casanova (2013)


Global Beauty, Local Bodies


New York: Palgrave Macmillan, 185 pp.


Rezensiert von Nina Lawrenz por Paulina Soto Riveros

Freie Universität Berlin


Der Sammelband „Global Beauty, Local Bodies“, herausgegeben von den zwei in den USA tätigen Soziologieprofessor_innen Afshan Jafar und Erynn Masi de Casanova, enthält eine besondere Kritik an globalen Schönheitsnormen mit einem Blick für die lokalen Besonderheiten. Die von ihnen angebrachten ethnographischen Studien verdeutlichen auf beeindruckende Art und Weise den Zusammenhang von globalen und lokalen Prozessen, wobei die Autor_innen die Akteur_innen in den unterschiedlichsten Regionen zu Wort kommen lassen und dabei immer wieder auf globale Zusammenhänge zurückverweisen.


Die Herausgeber_innen betten fünf (komparative) Studien und drei persönliche Kommentare von Autor_innen aus diversen lokalen Kontexten verschiedenster Kontinente und regionaler Besonderheiten in eine postkoloniale, queerfeministische Kritik hegemonialer Schönheitsnormen ein und verbinden dabei akademische empirische Forschung mit individuellen Auseinandersetzungen. Das Werk hat einen interdisziplinären Charakter, und bereits in der Einleitung analysieren die Herausgeber_innen mannigfaltige Ursachen des Wandels von Schönheitskulturen – und Bilder vor dem Hintergrund ökonomischer, politischer und kultureller Einflüsse.


Die Autor_innen der Studien, die vornehmlich in akademischen Kontexten des Globalen Nordens zu verorten sind, erfassen lokale Kontexte und Traditionen ohne kulturrelativistisch zu werden, reflektieren ihre eigenen Perspektiven und betonen ihr Bewusstsein über die Gleichzeitigkeit ihres „privilegierten Status in der Westlichen Welt“ und der Zuschreibung einer Migrationsgeschichte (xiv). Die Diversität in Bezug auf die geographische Vielfalt der Untersuchungen sowie eine Rückbesinnung auf die grundsätzliche Fragestellung des Werkes erlauben auf der einen Seite das Blickfeld der_des Leser_in um regionale Ausprägungen von Schönheitsnormen zu erweitern. Gleichzeitig wird ein weitsichtiges Panorama deutlich, welches kapitalistische und neoliberale Strömungen weltweit als einflussreich für lokale Veränderungen darstellt und erlaubt, regionale Anpassungen und vor allem die wechselseitigen Wirkungen lokaler und globaler Prozesse zu verstehen. Die Autor_innen betrachten ihr Werk als eine Kritik an globalen Schönheitsidealen, wobei sie regionale Besonderheiten reflektieren und immer wieder auf die Standpunkte der Sprecher_innen in den Regionen zurückkommen. Durch ein strukturierteres Zusammenbringen theoretischer Annahmen und eigener Forschungen reflektieren sie hierbei grundlegend die Bedeutung des Zusammenwirkens heteronormativer, rassistischer und klassistischer Machtverhältnisse in der Konstruktion von Identitäten über bestimmte Schönheits- und Körperbilder.


Die erste Studie beschäftigt sich komparativ mit der Konstruktion von Weiblichkeit in Kontexten von Schönheitswettbewerben in Nigeria und der vietnamesischen Sexindustrie und zielt darauf ab zu verdeutlichen, wie vor allem in sogenannten wirtschaftlich aufstrebenden Nationalstaaten globale Schönheitsbilder an Bedeutung gewinnen, da sie an Konzepte wie Reichtum und Erfolg geknüpft sind und somit neoliberale Tendenzen widerspiegeln, die diese befördern.


Auch für den lateinamerikanischen Kontext findet im nächsten Aufsatz eine Auseinandersetzung mit der wachsenden Sexindustrie im US-amerikanisch-mexikanischen Grenzraum statt, und Susanne Hofmann geht der Frage nach, inwieweit „sexuelle Attraktivität“ in Kapital umgewandelt werden will, und fokussiert hierbei insbesondere, warum die heterosexuelle Inszenierung von nicht-rassisierten Cis-Frauen, also Frauen die sich sozial mit ihrem biologischen Geschlecht identifizieren, über das Mittel von plastischer Chirurgie als „gewinnbringend“ erhofft wird.


Im Kontext USA/Lateinamerika verortet sich auch die dritte, komparative Untersuchung zu „Hooters“, einer internationalen Schnellrestaurantkette, deren Angestellte Cheerleader_innen-Kostüme tragen, also einem Idealtyp des (US-amerikanischen) Teenagers entsprechen. Die Autor_innen stellen beim Vergleich US-amerikanischer und kolumbianischer Filialen der Kette fest, dass zwar die Norm sich an den lokalen Kontexten anpasst und in Kolumbien andere phänotypische Merkmale als „schön“ gelabelt werden; die grundsätzliche Relevanz aber, die der Schönheit beigemessen wird, die Möglichkeit, über rein äußerliche Merkmale als „erfolgreich“/„beliebt“ gelesen zu werden bzw. die Idee, Restaurantgäste über die vermeintliche (jugendliche) Attraktivität zu gewinnen, unterscheidet sich in den lokalen Kontexten wenig.


Die vierte ethnographische Forschung untersucht die Bedeutung von lokalen Schönheitsritualen und -aspekten für die Konstruktion nationaler, kollektiver Identität in Diasporas am Beispiel somalischer Frauen. Die Autorin fokussiert die Bedeutung des Themas „Schönheit“ als Möglichkeit der Schaffung eines gemeinsamen Raumes (sowohl diskursiv als auch lokal), insbesondere für Frauen in migratorischen Kontexten, und der Beibehaltung einer kollektiven somalischen Identität in Anbetracht einer transnational verbreiteten somalischen Diaspora.


Eine weitere Studie befasst sich mit dem Thema der Metrosexualität am Beispiel von Sport im skandinavischen und US-amerikanischen Kontext und beleuchtet hierbei, inwiefern die Sexualisierung von Körpern in der Konstruktion von Schönheit eine entscheidende Rolle spielt. Gerade der Bereich Sport steht in engem Zusammenhang mit einer (imaginierten) homogenen nationalen Identität, die Sportler_innen in eine nationale Zugehörigkeit verweist, die nur durch das Erfüllen gewisser nationaler Körperideale zu erreichen ist. Laut der Autor_innen funktioniert die Metrosexualisierung vor allem männlicher Körper, also eine wachsende Ästhetisierung von Männlichkeit, die auch eine verstärkte Sexualsierung des männlichen Körpers nach sich zieht, im Bereich Sport, verstärkt bei Körpern von People of Color im US-amerikanischen Kontext, vor allem über die mediale Herstellung.


Die zwischen den Studien platzierten persönlichen Kommentare dreier Autor_innen setzen sich auf essayistische Art und Weise mit Schönheitsnormen auseinander und geben so Einblick in die individuelle Auseinandersetzung der Autor_innen mit Schönheitsidealen aber immer auch auf der Ebene einer kritischen (Selbst-)reflexion: mit der Relevanz der Größe der eigenen Nase in bestimmten lokalen Kontexten und der persönlichen Suche nach Antworten auf die Frage nach einer Schönheitsoperation; der Bedeutung von Depilation in Kambodscha und Kuren zur Verringerung des Körpergewichtes in Indien.


Insgesamt ist den Auseinandersetzungen gemein, dass sie nicht nur die durch Globalisierung geprägten Körperideale thematisieren, sondern sich fragen, wie Körper in bestimmten Kontexten diese annehmen, umdeuten und darin wieder neue lokale Standards etablieren. Diejenigen also, die bestimmte Schönheitsideale anstreben, werden nicht als „Opfer“ einer neoliberalen Körperindustrie gesehen, sondern immer auch als Konstrukteur_innen verkörperlichter (sexueller) Identität, auch im Kontext von Staatsbürgerschaft, die sich über den Körper konstruiert verstanden. Zudem geben sie mit der Auseinandersetzung mit Schönheit Raum für ein neues Verständnis der Relevanz für die Identitätsbildung. Sie verdeutlichen die Wechselwirkung sexualisierter, klassisierter und rassisierter Ideale für diese Konstruktionen und analysieren aus einer intersektionalen Perspektive das Selbstverständnis bzw. die Konstruktion einer (nationalstaatlichen) Identität.


Eine dichte Beschreibung und Reflexion vor allem auch der methodologischen Vorgehensweise, die immer in einen theoretischen Zusammenhang gesetzt wird, ergänzt die inhaltliche Diversität und analytische Tiefe des Werkes um den Aspekt einer reflektierten Wissenschaftlichkeit. Dabei bleibt zu bedauern, dass alle Autor_innen in universitären Kontexten des Globalen Nordens zu verorten sind, und wissenschaftliche Auseinandersetzungen aus dem Globalen Süden selbst nicht einbezogen werden. Das Werk gewährleitstet trotz dessen einen Einblick in die oft vernachlässigten transnationalen Perspektiven in den empirischen Gender Studies und verdeutlicht für Interessent_innen regionaler Studien, der Kultur- aber auch der empirischen Sozialwissenschaften die Bedeutung der Übersetzung globaler Prozesse in lokale Zusammenhänge.