Jennifer Chan de Avila, Sabina García Peter y Martha Zapata Galindo (2013)

Incluyendo sin excluir. Género y movilidad en instituciones de educación superior


Berlin: Walter Frey, 221 p.

 

Rezensiert von Nina Lawrenz

Freie Universität Berlin



Der 14. Band aus der Reihe „Fragmentierte Moderne in Lateinamerika“ entstand im Februar 2010 im Rahmen einer Konferenz zum Thema soziale Inklusion und (Un-) Gleichheit zur Vorbereitung des MISEAL-Projektes an der Freien Universität Berlin. Dieses Projekt zur sozialen Inklusion und Gleichstellung an lateinamerikanischen Hochschulen wurde 2011 von der Europäischen Union genehmigt, und es beteiligen sich zwölf lateinamerikanische und vier europäische Hochschulen. Einige der Autor_innen aus dem vorliegenden Band sind über eben diese Hochschulen im Rahmen des Projektes damit beschäftigt, die soziale Inklusion an den Universitäten zu ergründen und Maßnahmen zu entwickeln, diese zu verbessern. Hierbei legen sie besonderen Wert auf intersektionale Perspektiven und Handlungsweisen, um nicht durch die Förderung einer benachteiligten Gruppe neue Exklusionen zu forcieren. Diese Thematik wird in dem Band aus unterschiedlichen regionalen und thematischen Perspektiven erläutert und spricht in dieser Vielseitigkeit sowohl Wissenschaftler_innen an, die sich mit sozialer Inklusion befassen, als auch all diejenigen, die im Bereich Gleichstellung und Hochschulpolitik tätig sind.


Die Artikelsammlung liefert eine abwechslungsreiche Darstellung von Statistiken, Paradigmen, Epistemen und Empirie. Es werden quantitative Analysen, qualitative Fallbeispiele, aber auch konstruktivistische Diskurse herangezogen, um In- und Exklusionsmechanismen in der lateinamerikanischen Hochschullandschaft zu markieren und auch in ihrer Komplexität nachvollziehbar zu machen. Die Beiträge beschreiben auf der einen Seite generelle Problematiken zu Hochschulzugang und -verbleib in verschiedenen Regionen Lateinamerikas und Europa. Zum anderen werden aber auch einzelne Studiengänge sowie konkrete Machtverhältnisse an den Universitäten unter die Lupe genommen. Hierbei wird in den diversen Kontexten darauf aufmerksam gemacht, dass zwar auf der einen Seite Frauen vor allem in Bezug auf die Aufstiegschancen im akademischen Bereich noch immer benachteiligt werden, da die Gleichstellung in der Hochschullandschaft sich nur bis zu einem bestimmten akademischen Grad vollzieht. Zum anderen erläutern die Autor_innen auch aus intersektionaler Perspektive differenziert, dass die „Gewinnerinnen“ von Frauenförderplänen- und maßnahmen oftmals weiße Frauen sind, und sich somit eine Verschiebung der Exklusionen, insbesondere in Bezug auf Ethnizität, ausmachen lässt.

 

So beschreibt Martha Zapata Galindo in ihrem einführenden Artikel die diversen Hindernisse, denen Personen aus marginalisierten Gruppen begegnen können, und verbindet Ausführungen über die Vorgehensweise und Bestrebungen des MISEAL-Projektes mit einer theoretischen Einbettung intersektionaler Analysen und Arbeitsweisen. Emily Calaminus gibt einen gut strukturierten Überblick über die Datenlage von verschiedenen Genderindikatoren in Lateinamerika, übt hierbei aber auch Kritik an der Unzulänglichkeit quantitativer Analysen und betont, dass durch die Auswertung von zu wenigen überlappenden Kategorien intersektionale Exklusionen nicht sichtbar gemacht werden können und an der Oberfläche bleiben. Sie plädiert, im Einklang mit der gesamten Artikelsammlung, für „ein sensibilisiertes Bewußtsein für qualititive Forschung, regionalspezifische Herangehensweisen und sub-nationale Indikatoren.“1 (49). Auch Maria da Costa, Mariana Sombrio und Neide Mayumi Osadas setzen sich mit theoretischen Herangehensweisen auseinander; ihr Artikel theoretisiert vornehmlich Episteme im Bereich Gender und Wissenschaft, zeigt deren Entwicklung in den letzten Jahrzehnten auf und analysiert bisherige Wissensproduktionen in diesem Bereich.

 

Im Anschluss an diese allgemeineren Artikel setzen sich Luz Gabriela Arango und Óscar Alejandro Quintero mit Hochschulzugängen in Kolumbien auseinander. Sie erläutern anhand der Auswertung von Immatrikulationsdaten den eingeschränkten Hochschulzugang von Frauen sowie von schwarzen Menschen exemplarisch an natur- und geisteswissenschaftlichen Studiengängen und zeigen auf, dass Ungleichheiten im Zugang auf Grund des Geschlechtes nicht getrennt von den Ungleichheiten, die auf Grund der Ethnizität gemacht werden, gelesen werden dürfen. Ana Gabriela Buquet fokussiert sehr detailliert die Aufstiegschancen von Frauen im akademischen Kontext in Mexiko und erläutert diese exemplarisch am Fallbeispiel der Universidad Autónoma de México (UNAM). Eine ähnliche Untersuchung nimmt Silvana Darré für Uruguay vor, wobei sie aber auch die Situation schwarzer Frauen und ihre Problematiken in der Hochschule in den Blick nimmt und zu dem Schluss kommt, dass in den letzten Jahrzehnten Frauen von Inklusionsmaßnahmen profitieren konnten, die schwarze Bevölkerung aber weiterhin sowohl in den Maßnahmen als auch in der Forschung vernachlässigt wird.

 

Im Weiteren beschreibt Carolina Gala Drán Gleichstellungspolitiken an spanischen Hochschulen, wobei sie sich einzig mit der Situation von Frauen in Universitäten beschäftigt. Hierbei erläutert sie Maßnahmen, die zur Inklusion vorgenommen wurden und werden, und konstatiert, dass politische Maßnahmen eine hohe Relevanz haben, aber nur durch einen Kulturwandel Gleichberechtigung auf allen Ebenen geschaffen werden kann. Der britische Beitrag von Stella González-Arnal ist geprägt von seiner intersektionalen Perspektive und analysiert auf qualitativer Ebene verschiedene Stratifizierungsachsen und Lebenssituationen, die eine universitäre Laufbahn erschweren oder verhindern können. Hierbei hebt sie sozioökonomische Ungleichheiten hervor und erläutert, wie vor allem Armut in Großbritannien den Zugang zu höherer Bildung erschwert.

 

Araceli Mingo Caballeros fügt der Thematik eine weitere Ebene hinzu, indem sie reflektiert, wie sich ein verbesserter Zugang von Frauen an Hochschulen auf die Geschlechter- und Machtverhältnisse am Arbeits- bzw. Studienort auswirkt. Sie beschreibt vorurteilsbehaftete Zuschreibungen und verkrustete Strukturen, die die Situation für Frauen im universitären Kontext, ebenfalls am Beispiel der UNAM, erschweren. Hortensia Morenos Zugang über sportliche Aktivitäten im universitären Rahmen eröffnet neue Perspektiven in Bezug auf verschiedene Exklusionsmechanismen im Zusammenhang von Geschlechtsidentität und Körperlichkeit und vollzieht nach, wie sich identitätskategoriale Zuschreibungen gerade in Bezug auf Körper individuell und strukturell im universitären Alltag widerspiegeln.

 

Schon die Unterschiedlichkeit der Herangehensweisen der Wissenschaftler_innen deutet die Mannigfaltigkeit der Hintergründe an, die diesen Ungleichheiten zu Grunde liegen. So wird für die Leser_innen deutlich, dass intersektionale Perspektiven, die diverse Faktoren der Benachteiligung mit einbeziehen, unabdingbar für ein ganzheitliches Verständnis und vor allem auch das Entwickeln nachhaltiger Maßnahmen stehen. Für die Rezipient_innen wird deutlich, dass eine inklusive Hochschulpolitik bedeutet, nicht nur einzelne Ausschlüsse oder auch Statistiken kurzfristig zu beschönigen, sondern eine integrale Herangehensweise zu fordern und fördern. So bleibt nur der Wermutstropfen, dass bei allen Plädoyers für eine intersektionale Perspektive und multidimensionale Herangehensweisen der Faktor „Geschlecht“ eine übergeordnete Rolle spielt, wobei nicht-hegemoniale Männlichkeiten und sexuellen Dissident_innen unerwähnt bleiben. Einige Beiträge, die in ihrem Vorwort noch weitere Kategorien mit aufführen, hinterlassen jedoch den Eindruck, diese würden zwar bewusst verwendet und müssten unabdingbar genannt werden, nur um dann schlussendlich doch dem „Geschlecht“ eine Alleinstellung zuzuschreiben und weitere Kriterien wenig oder gar nicht mitzudenken. Zwar deutet der Untertitel „Gender und Mobilität“ an, dass die Geschlechtsverhältnisse eine übergeordnete Rolle spielen werden, jedoch entsteht der Eindruck, die „Inklusion“ weiterer Kategorien würde nur beim theoretischen Anspruch zum Ausdruck gebracht, in den konkreten Untersuchungen jedoch bleibt sie ein Desiderat.

 



1 „a greater awareness for qualitative measures, regional approaches and sub-national indicators“.